Soziokultureller Hintergrund
Prostitution ist ein Teil unserer Kultur. Sie existiert in allen Ländern der Erde, legal oder illegal, missachtet oder wertgeschätzt. Nicht die Tatsache der Prostitution unterscheidet die Kulturen, sondern die Art, wie mit ihr umgegangen wird.
In Deutschland ist in 2002 das Prostitutionsgesetz (ProstG) in Kraft getreten. Dadurch wurde Sexarbeit von der Sittenwidrigkeit befreit und als Arbeit anerkannt. Die Regelung der Arbeitsplätze in der Sexarbeit wurde erlaubt. Die Bundesregierung hat in ihrem Bericht zu den Auswirkungen des ProstG ausdrücklich betont:
„Freiwilligkeit bedeutet im Zusammenhang mit dem sexuellen Selbstbestimmungsrecht, dass Individuen frei über das „Ob“ und das „Wann“ und das „Wie“ einer sexuellen Begegnung entscheiden können.“
Deutscher Bundestag Drucksache 16/4146, Unterrichtung durch die Bundesregierung, Bericht der Bundesregierung zu den Auswirkungen des
Gesetzes zur Regelung der Rechtsverhältnisse der Prostituierten (Prostitutionsgesetz-ProstG), S.8
Die Prostitution falle deshalb, wie jede auf Dauer angelegte Tätigkeit zur Schaffung und Erhaltung einer Lebensgrundlage unter die Garantie des Artikel 12 Abs. 1 des Grundgesetzes: „Alle Deutschen haben das Recht, Beruf, Arbeitsplatz und Ausbildungsstätte frei zu wählen.“
Die Evaluation des ProstG in 2007 hat ergeben, dass sich nur ein Teil der mit dem Gesetz verbundenen Erwartungen erfüllt hat. Dies hat zu weiteren gesetzlichen Schritten geführt: am 1.Juli 2017 trat das Gesetz zur Regulierung des Prostitutionsgewerbes sowie zum Schutz von in der Prostitution tätigen Personen, Prostituiertenschutzgesetz (ProstSchG) in Kraft.
Kernelemente sind die Einführung einer Anmeldepflicht für Prostituierte, einer gesundheitlichen Pflichtberatung und einer Erlaubnispflicht für das Prostitutionsgewerbe.
Diese komplexe Problematik möchte die Gruppe mit dem Schwarmkunstprojekt „Strich-Code Move“ in das Blickfeld der Gesellschaft rücken.
Geplante Aktionen:
Unter künstlerischer Leitung von der Schwarmkünstlerin Kerstin Schulz (atelier-dreieck) werden im Sommer 2019 fünf Lovemobile im Korso von Stadt zu Stadt
fahren und sich in zentraler Lage als museale Wagenburg platzieren.
Die fünf Lovemobile beherbergen:
1. Lovemobil: Zwei Sexarbeiter*innen stellen sich der Diskussion mit den Besucher*innen
2. Lovemobil: Museum über die Geschichte von Sexarbeit in Deutschland
3. Lovemobil: Beherbergt 50 Sextoys, die bei Berührung verschiedene Interview-Sequenzen von Sexarbeiter*innen stimmlich wiedergeben
4. Lovemobil: Milieuspezifische Besonderheiten der jeweiligen Stadt + hier werden Prostitutionsausweise in Form von Besucherausweisen ausgestellt und zum Thema ProstSchG informiert
5. Lovemobil: Performerin (Thema: Berührung) + Monitore mit Foto-Loops von Lovemobilen
Schwarmkunst bei Strich-Code Move
Sowohl an und in den Lovemobilen als auch auf dem Platz (mit Schutzfolien und den städtischen Behörden abgestimmt) sollen 5.000.000 Strich-Code Etiketten verklebt werden (auf Lovemobile, Laternen, Bänken, Böden, Bäumen,…). Ziel ist eine kunterbunte Schwarmkunst-Auseinandersetzung mit dem Thema Prostitution und gesellschaftlichen „Werten“. Es werden keine Antworten geboten, sondern Fragen in den Raum gestellt, die zum Diskutieren und Nachdenken anregen sollen.
Strich-Code-Move ist in zwei Zyklen aufgeteilt:
Der erste Zyklus umfasst den Aufbau der fünf Lovemobile als Museum/ Installation/ Ort für Performance/…
Der zweite Zyklus beginnt mit der Präsentation der Lovemobile in fünf verschiedenen Städten (Hannover, Bochum, Berlin, Hamburg, Rostock und Dresden) und einer einzigartigen Schwarmkunstaktion, die für jede Stadt explizit, individuell konzipiert wird.
Den krönenden und öffentlichkeitswirksamen Höhepunkt bilden fünf Abschlussveranstaltungen (je Stadt eine), auf denen die beschwärmten Plätze und Lovemobile an der Wagenburg präsentiert werden. Bei dieser Veranstaltung im Show-Charakter werden Elemente der virtuellen Gaming-Shows, Poetry Slam medienwirksam aufgegriffen.
Exkurs:
Aber was ist eigentlich Schwarmkunst…?
„Schwarmkunst ist eine sozial interaktive Kunstrichtung, die professionell initiiert und angeleitet werden muss, sich dann aber selbstständig fortsetzt. Dabei entstehen erfahrungsgemäß intensive Kontakte unter den Schwarmkünstler*innen. Schwarmkunst ist ein niedrigschwelliges Angebot. Jeder kann mitmachen. Auch kleinste Beiträge summieren sich zu einem großen Ganzen und machen jede/n Beteiligte/n, als Teil einer Gruppe, zum/zur erfolgreichen Schwarmkünstler*in.
Schwarmkunstprojekte setzen sich mit gesellschaftlich relevanten Themen auseinander und nutzen dafür eine eigens entwickelte Sprache. Wir nennen diese Sprache: „mit Herz und Hand“. Schwarmkünstler*innen finden so einen Zugang auch zu schwierigen sozialkritischen Themen. Wer zum/zur Schwarmkünstler*in wird, ist wenig später durch Nachfragen anderer Besucher*innen schon Kunstvermittler*in. Womit die Frage „Ist das Kunst?“ plötzlich eine neue, sehr persönliche Dimension bekommt.
Dorothee Türnau
(http://www.atelier-dreieck.de/aktionen.html oder http://de.wikipedia.org/wiki/Schwarmkunst)